“Le troisième choeur” est un environnement visuel avec anti-chambre imaginé par Nadia Lauro
pour l’opéra Orfeo e Euridice de Christoph Willibald Gluck mis en scène par Jennifer Lacey.
“Le troisième choeur” est un environnement ritualisé intégrant le public comme participant.
Spectateurs, musiciens, chanteurs et danseurs sont tous « costumés » pour la cérémonie à l’exception des 2 figures principales Orfeo et Euridice.
Credits Orfeo e Euridice
opéra de Christoph Willibald Gluck
direction musicale Ferdinando Mafii
chorégraphie et mise en scène Jennifer Lacey
conception du dispositif scénique et des costumes Nadia.Lauro
dramaturgie Helga Utz
Orfeo Georg Nigl
Euridice Theresa Dlouhy
Amor Elisabeth Rombach
direction du Choeur de l’université de musique de Vienne / Lanterna Magica Anton Webern
création : Schloss Schönbrunn /Zeremoniensaal 2006
production Wiener Taschenoper
Fragen zum Schönbrunner „Orfeo“
Herr Maffii, Sie haben für die Schönbrunner Aufführung die Fassung erarbeitet.
MAFFII: Eine Fassung sollte sich in erster Linie nach dem Raum richten. In der damaligen Zeit hat man immer in erster Linie die Raumverhältnisse beachtet; die Orchesterbesetzung wurde fast beliebig angepasst. Und mir schien der Zeremoniensaal im Schloß Schönbrunn wie gemacht für die sogenannte Parma-Fassung des Orfeo. Man muß hier etwas weiter ausholen: Es ist bekannt, dass es schon zu Glucks Lebzeiten eine beträchtliche Anzahl an Fassungen gab – zunächst ist da die Wiener Fassung, jenes Heiligtum der Gluckschen Opernreform; Gluck verwirklichte in diesem Werk zum ersten Mal seine revolutionären Opernideen, die sich gegen die Tradition und Praxis der opera seria richteten, die er als gekünstelt und gestelzt empfand. Er wollte Einfachheit und Geradlinigkeit, dramatischen Realismus, was ihn eher mit Monteverdi verbindet als mit der Barockoper. Er wollte keinen Dekorationsaufwand, keine Virtuosität um ihrer selbst willen, sondern erhabene Konflikte, menschliche Wahrheit, Wahrhaftigkeit im Ausdruck. Er empfand den Aufbau einer herkömmlichen Oper als dem Wesen der Musik widersprechend, er verbannte die secco-Rezitative, gab aber dem Chor, der in der Barockoper nur eine marginale Rolle spielt, großes Gewicht. Nun, der Wiener Orfeo (1762) verkörpert all dies in Reinkultur, und Puristen schätzen die Wiener Fassung im allgemeinen höher ein als die Pariser (1774), in der Gluck sich nach den französischen Bedürfnissen richtete. Neben den Fassungen, die jeweils für Stockholm oder Prag eingerichtet wurden, studierte Gluck selbst das Werk noch einmal in Parma ein – für diese Aufführung, bestimmt für einen Pavillon, existiert auch noch Material, das unserer Schönbrunner Aufführung zugrunde liegt. Für die Hauptpartie stand der glänzende Soprankastrat Millico zur Verfügung, und Gluck arbeitete nicht nur die Rolle für ihn um, sondern stellte ohne größere Änderungen quasi ein Konzentrat der Wiener Urfassung her, benannt Feste di Apollo: Er zog die drei Akte in einen zusammen, strich die Posaunen und reduzierte auch sonst das Instrumentarium, was einen sehr kompakten, intensiven Handlungsverlauf zur Folge hat.
Was würden Sie sagen, wie „historisch getreu“ kann man eine Oper, die vor 250 Jahren uraufgeführt wurde, heute auf die Bühne bringen?
MAFFII: Man kann forschen, wie die Instrumente geklungen haben, man kann versuchen, das authentische Notenmaterial so genau wie möglich zu studieren, all das ist heute selbstverständlich. Die Sänger waren anders ausgebildet, vibratoreiche starke Stimmen, die über ein großes Orchester „drüberkommen“, waren nicht gefragt. Geschwindigkeit, Beweglichkeit, Deklamation und Eleganz standen im Vordergrund, die Räume waren kleiner, die Tempi nahm man anders, zum Beispiel Andante war ein fröhliches Vorwärtskommen, nicht so breit, wie es die Tradition des späten 19. Jahrhunderts suggeriert. Die Musik wurde immer inspiriert von einem Gefühl der Bewegung, des Tanzes, was sehr langsame Tempi ausschließt. Die „Rhythmusgruppe“ wurde betont und muß entsprechend platziert werden , deshalb haben wir die Bassinstrumente jeweils außen aufgestellt. Die Instrumente waren generell leiser, weicher im Timbre und tiefer gestimmt. Es gab keinen Dirigenten im heutigen Sinne, die Instrumente waren in keinen Graben verbannt, denn der musikalische Kontakt stand im Zentrum, das Miteinander-Musizieren. Aber es steht zu vermuten, dass wir allzu vieles nicht wissen, insbesondere durch den Effekt, dass die wichtigen Dinge in der Praxis so selbstverständlich waren, dass sie nicht erwähnt, nicht notiert oder aufgeschrieben wurden, und gerade diese Selbstverständlichkeiten sind dadurch verloren gegangen. Und selbst, wenn wir noch mehr wüssten: Zumindest das Publikum können wir aufführungspraktisch historisieren: Heute herrschen andere Hörgewohnheiten, andere Reizschwellen, andere Denkmuster. Historische Rekonstruktion kann kein Ziel sein, immer nur ein Weg, ein Weg allerdings, der uns unfehlbar eine neue Welt, eine Welt der Poesie erschließt.
LACEY: Mich interessiert die Spannung, die historisches Material im Verhältnis zu uns erzeugt. Ich lebe heute, mein Theater ist zeitgenössisch, aber niemals werde ich „modern“ sein, etwas modernisieren oder „für die heutige Zeit verständlich machen“. Eine Rekonstruktion würde eine Reanimation bedeutet, die von einem toten Objekt ausgeht. Aber alte Räume, alte Stücke, alte Themen sind nicht tot.
Im Zeremoniensaal des Schlosses Schönbrunn wurden zwar zur Zeit Maria Theresias Opern aufgeführt, aber es gibt natürlich keine Bühne im heutigen Sinn. Finden Sie den Raum für eine heutige Aufführung geeignet?
LAURO: Ich finde solche Orte aufgrund ihrer Bestimmung spannend. Insofern ist es ein Glücksfall im „Sisi-Castle“ und mit dem Zeremoniensaal und seinen spezifisch historischen Qualitäten zu arbeiten. Eine leere Bühne würde heißen: gereinigter Zustand. Man fängt bei dem Nichts an. Aber dieses Nichts ist beeinträchtigt durch die Erwartungshaltung des Zuschauers. Hier, im Zeremoniensaal, hat der Zuschauer keine bestimmte Erwartungshaltung, allein durch die Wahl des Ortes wird klar, daß ihn etwas Neues erwartet. Gerade, daß schon eine Ausgangspunkt vorhanden ist, ein ausgestatteter Raum mit einem bestimmten Ausdruck und einer reichen Geschichte, bewirkt paradoxerweise eine tabula rasa.
Orte wie Schönbrunn setzen sehr viel Fantasie frei, sofort identifiziert man sich mit den Menschen, die hier aus- und eingegangen sind. Die Assoziationen sind das Material, das die Basis meiner Arbeit mit dem Raum bildet.
Sie arbeiten häufig an ungewöhnlichen Orten.
LAURO: Ich arbeite viel im Bereich landscape design, meine ARbeiten sind keine Skulpturen, die mehr oder weniger gut in eine Ecke oder auf einen Platz passen, Ich stelle immer Beziehungen zu Räumen unterschiedlicher Natur her. Die Gefühle, die dort hervorgerufen werden. die Fantasievorstellungen, das benutze ich als Vorrat für meine Gestaltung. Zum einen arbeite ich über Kontraste, indem ich denen Bezug über einen Gegensatz herstelle, zum andern benütze ich das Vorhandene als Kontrapunkt, das Alte verschränkt sich mit dem Neuen. Die Redundanz soll reduziert werden, alles was man sieht, was man wahrnimmt, soll neu, überraschend, wichtig sein.
Frau Lacey, dies ist Ihre erste Begegnung mit der Oper. Was fasziniert Sie an diesem Genre am meisten?
LACEY: Üblicherweise arbeite ich aus dem Nichts, ich schöpfe etwas, was vorher noch nicht da war. Ich habe ein bisschen gebraucht, um zu begreifen, dass die Partitur wie ein Raum ist, den wir allmählich wohnend in Besitz nehmen. Dieser Raum existiert auch ohne mich, ohne meine Arbeit, und keinesfalls will ich ihn umbauen. Wir halten uns lediglich darinnen auf.
LAURO: Die Arbeit mit Orfeo führte dazu, dass ich den Abend als Zeremonie anlegen möchte. Die strenge Form, die transparente Architektur hat für mich etwas sehr Rituelles; bei einem Ritus liegt das Klare sehr eng neben dem Geheimnisvollen, Dunklen. Orpheus muß durch eine zeremonielle Handlung, um wieder mit Euridice verbunden zu werden. Der Zeremoniensaal wird von mir in einen zeremoniellen Raum verwandelt, in dem das Publikum, eine aktive Rolle übernimmt, um die Zeremonie zu unterstützen. Das Publikum ist sehr wichtig für mich, es funktioniert wie ein zweiter stummer Chor. Um es auf diese Rolle und die zeremonielle Atmosphäre einzustimmen, ist der Vorraum mit der Einkleidung vorgesehen, vergleichbar dem Vorraum in der japanischen Teezeremonie.
Was fasziniert Sie an Gluck?
LACEY: Gluck arbeitet im Dienste der Aufklärung, und weder Gott noch König haben einen Auftritt. Die Menschen müssen ihr Schicksal alleine bewältigen – ein bemerkenswert moderner Ansatz. Amor ist nur eine Verkörperung eines menschlichen Aspektes. Überrascht hat mich die Rolle des Chores – er hat einen eminent hohen Stellenwert. Mit Ausnahme der Begegnung mit Euridice wendet sich Orpheus an den Chor, an eine Gemeinschaft – die Trauernden, die Bewohner der Unterwelt oder des Elysiums, immer ist es eine fest gefügte Gruppe, die Orfeo gegenübergestellt wird. Das verstärkt die Einsamkeit Orfeos, die unendliche Einsamkeit. Wobei mich die Begegnung der Körper interessiert – nicht die Ideen, die Sehnsucht oder die Liebe und der Tod – Örfeo trifft körperlich auf den Körper von Euridice, das möchte ich ins Licht heben.
MAFFII: Gluck schreibt einfach, verständlich, und dabei sind seine musikalischen Gedanken von einer solchen Wucht. Nicht umsonst war Wagner von ihm begeistert, von seiner Fähigkeit, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das in jeder Sekunde spannend ist, wo jedes Detail überlegt ist, alles der theatralischen Aktion dient. Glucks Musik ist wie die Schuberts, von Trauer durchzogen, seine Werke sind von einer tiefen Melancholie geprägt, die und uns die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies lehrt.
Credits Orfeo e Euridice
opéra de Christoph Willibald Gluck
direction musicale Ferdinando Mafii
chorégraphie et mise en scène Jennifer Lacey
conception du dispositif scénique et des costumes Nadia.Lauro
dramaturgie Helga Utz
Orfeo Georg Nigl
Euridice Theresa Dlouhy
Amor Elisabeth Rombach
direction du Choeur de l’université de musique de Vienne / Lanterna Magica Anton Webern
création : Schloss Schönbrunn /Zeremoniensaal 2006
production Wiener Taschenoper